„Hier passiert sehr viel im Hintergrund“

Triagesystem ermöglicht der ZNA eine Versorgung aller Patient:innen nach Dringlichkeit und Bedarf

Jede:r Patient:in wünscht sich, schnell und gut untersucht und behandelt zu werden, wie es dem Gesundheitszustand angemessen ist. Genau das ist auch Ziel des ärztlichen und pflegerischen Teams der Zentralen Notaufnahme (ZNA) im Klinikum Rheine am Standort Mathias-Spital. Deshalb muss nach Eintreffen jedes/jeder neuen Patient:in entschieden werden, wie die personellen, räumlichen und diagnostischen Ressourcen auf die unterschiedlichen Patient:innen verteilt werden. Denn diese Ressourcen sind knapp. Werden sie unausgewogen eingesetzt, folgt daraus eine Überlastung des medizinischen Teams und Unzufriedenheit bei allen Beteiligten. Die Steuerung von Patient:innen ist daher eine entscheidende Aufgabe in der ZNA.

„Wir nehmen uns jedes Menschen an“

Wie schnell, von wem und auf welche Weise Patient:innen untersucht und behandelt werden entscheidet sich in der ZNA nach dem international anerkannten Manchester Triagesystem. Alle eintreffenden Personen werden nach einem standardisierten Verfahren in eine der fünf vorgesehenen Kategorien eingestuft (siehe unten) – unabhängig davon, wie und wann die Person die ZNA erreicht hat. Die Einstufung erfolgt auf Basis der Beschwerden der Patient:innen, ggf. der Übergabe durch den Rettungsdienst, der fachlichen Einschätzung des Personals der ZNA sowie einer computergestützte Empfehlung, aufgrund des gesamten Symptomkomplexes. „Die computergestützte Empfehlung hilft uns insbesondere bei der Bestätigung der korrekten Einstufung. Am Ende entscheidet aber immer noch das Personal der ZNA, da es hier um Menschen und deren Bedürfnisse geht“, so Iris Holling, Bereichsleiterin Pflege der ZNA.

„Die rote Kategorie erfordert sofort lebensrettende Maßnahmen“, erläutert Dr. Dietmar Daubner, der Ärztliche Leiter der ZNA. „Hier zählt jede Sekunde. Die Stabilisierung eines solchen Notfalls nimmt häufig eine Stunde oder länger in Anspruch.“ Orange bedeutet, dass die Person innerhalb von zehn Minuten ärztlich untersucht werden sollte, um eine lebensbedrohliche Situation auszuschließen oder zu verhindern.

Die drei weiteren Kategorien sind keine Notfälle im medizinischen Sinn und gehören damit eigentlich nicht in die ZNA. „Trotzdem nehmen wir uns jedes Menschen an, der zu uns kommt“, versichert Daubner – dann aber erst nach einer möglichen Wartezeit. Diese lässt sich auch nicht abkürzen, wenn man sich mit dem Rettungswagen zum Krankenhaus bringen lässt. „Das Triagesystem erfasst alle. Und wer mit einem verstauchten Knöchel vom Rettungswagen eingeliefert wird, muss den dringend versorgungsbedürftigen Fällen dennoch den Vortritt lassen“, bringt Daubner ein zugespitztes Beispiel.

Wie aber entstehen denn nun überhaupt die Wartezeiten? „Sie können sicher sein, dass wir nicht hinter einer Tür zusammensitzen, während Sie mit Schmerzen im Wartebereich ausharren“, widerspricht Daubner einem häufigen Vorurteil. Wenn es voll ist, sind die Wartezeiten nachvollziehbar.

In der ZNA ist durchgehend Betrieb. Auch wenn im Wartebereich nicht viel los ist, so ist das ärztliche und pflegerische Personal der ZNA immer aktiv dabei, Patient:innen in den Behandlungsräumen zu versorgen. Bei Verkehrsunfällen mit mehreren Schwerstverletzen bindet dies das gesamte Team der ZNA ein.

Ein weiterer Grund: Zwischen Erstuntersuchung und weiterführender Diagnostik oder Behandlung von Patient:innen passiert sehr viel im Hintergrund, ohne dass dies offensichtlich erscheint. „Selbst die Basisdiagnostik dauert bei unklaren Symptomen anderthalb Stunden“, sagt Daubner. „In dieser Zeit werten wir bildgebende Verfahren (z. B. Ultraschalluntersuchungen, Röntgen) aus, nehmen Laboruntersuchungen vor, beraten uns mit Fachkolleg:innen. Und je mehr Patient:innen wir haben, desto länger dauern diese gleichzeitigen Prozesse.“

Die Gewissheit für jede Person: Ist sie einmal ins Triagesystem aufgenommen, wird sie nicht vergessen. „Hier geht jeder mit einem Befund raus“, sagt Daubner, „egal, ob die Person anschließend erleichtert nach Hause geht, einen Arztbrief zur Weiterbehandlung im niedergelassenen Bereich mitnimmt oder bei uns stationär aufgenommen wird.“ Von den Menschen in der ZNA wünscht er sich das Vertrauen, dass das medizinische Team nicht willkürlich über die Behandlungsreihenfolge von Patient:innen und die Wartezeit bis zum Kontakt mit dem ärztlichen oder pflegerischen Personal entscheidet. „Das Triagesystem ist in der Notfallmedizin bewährt und ermöglicht uns die bedarfsgerechte Arbeit“, sagt Daubner. „Wenn Sie sich über eine Wartezeit ärgern, denken Sie daran: Wenn Sie selber einmal in Lebensgefahr bei uns eingeliefert werden, setzen wir Sie an erste Stelle und alle anderen lassen Ihnen den Vortritt.“

Triagesystem

Rot: Lebensgefahr (Kategorie 1)
Patient:in mit einer akut lebensbedrohlichen Erkrankung: Es wird eine sofortige lebensrettende Notfallbehandlung eingeleitet. Diese erfordert den Einsatz vieler beteiligten medizinischen Fachkräfte, spezifischer Geräte und einer kontinuierlichen Patienten-Überwachung.

Orange: Sehr dringend (Kategorie 2)
Sehr dringe Behandlungsnotwendigkeit: Erkrankung kann lebensbedrohlich werden. Patient:in mit zeitkritischen Erkrankungen, welche innerhalb von 10 Minuten medizinisch behandelt werden muss.

Gelb: Dringend (Kategorie 3)
Dringende Behandlungsnotwendigkeit: nachgeordneter Behandlungsbeginn, keine akute Lebensgefahr, mittelgradige Beschwerden, medizinische Behandlung innerhalb von 30 Minuten.

Grün: Aufgeschobene Dringlichkeit (Kategorie 4)
Keine dringende Behandlungsnotwendigkeit: Behandlung erfordert keinen sofortigen Kontakt mit dem medizinischen Personal, es besteht keine Lebensgefahr, die Versorgung erfolgt mittelfristig. Solche Fälle sind mit die häufigsten.

Blau: Nicht dringend (Kategorie 5)
Kein akuter Notfall: Eine Behandlung wird eingeleitet, sobald eine Versorgungskapazität z. B, räumlich oder personell zur Verfügung steht. Die Behandlung erfolgt nachrangig und ist mit Wartezeit verbunden.

Ultraschalldiagnostik der inneren Organe durch Dr. med. Dietmar Daubner, Leitender Arzt der Zentralen Notaufnahme am Klinikum Rheine

Alle Patient:innen immer im Blick: Ein digitales Board zeigt die Raumbelegung in Echtzeit.

Iris Holling, Bereichsleiterin Pflege der Zentralen Notaufnahme am Klinikum Rheine

Dr. med. Dietmar Daubner, Leitender Arzt der Zentralen Notaufnahme am Klinikum Rheine